Dreschen und DreschtaktsprücheNachdruck aus: Hierzuland 2/4, 1987: 5-8.Aus der redaktionellen Einleitung in Hierzuland:
Rund 360
Stunden Handarbeit je Hektar Getreide brachte ein bäuerlicher
Betrieb um 1800 für Mähen und Dreschen auf, 1950 waren es noch
35
Stunden, 1980 ein bis zwei Stunden (nach Dietrich Weilhäuser:
Entwicklung
der deutschen Landwirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert,
Ms.). Wer sich diese
Zahlen verdeutlicht, der kann sich vorstellen, welch
wichtige Rolle friiher
das Dreschen im bäuerlichen Jahr gespielt
hat, mit wieviel Aufwand "die
Spreu vom Weizen" zu trennen war. Wie ging
es nun aber zu beim Dreschen? Wann
nach der Ernte wurde damit begonnen,
wie liefen die Vorbereitungen dazu, wer
half mit, wo und mit welcher Art
von Flegeln wurde gedroschen, wie nannte
man einen Bund gedroschenes
Stroh, wann und wie und von wem wurde das Stroh
gewendet, war es nur
Männersache, gab es den Takt bestimmende Sprüche?
Diese und
noch etliche Fragen mehr stellte Karl-Heinz Hentschel (Karlsruhe)
in
einem Fragebogen zusammen, versandte ihn an zahlreiche Adressen im
nordbadischen
Raum und stellt die ausgewerteten Ergebnisse in einem mit
dem Ertrag aus weiteren
Forschungen angereicherten Aufsatz den
"Hierzuland"-Lesern nachfolgend vor.
Als besonders verdienstvoll
hervorzuheben ist seine Aufzeichnung verschiedener
Dreschtaktsprüche, die den im Zeitalter riesiger Dreschmaschinen
Aufgewachsenen
vermitteln, daß Zwei- und Viertakter schon vor der
Erfindung von Verbrennungsmotoren
zum Dreschen gehörten.
Von "Sammet" und "Katzenköpfen"
"Höret die Drescher, sie schlagen
im Takt: Klipp-klapp. Klipp-klapp",
beginnt ein Kinderliedchen, dessen
Originaltext erstmals im Göttinger
Musenalmanach des Jahres 1787
erschien. Selbst in unseren Tagen findet das
Lied noch in kindgerechte
Notenhefte Eingang.
Wer vor 50 und mehr Jahren an Wintertagen durch ein Dorf ging, konnte aus manchen Gehöften das Klipp-klapp der Drescher hören. Aus dem Rhythmus der Schläge ließ sich unschwer die Zahl der Drescher erkennen. Die Flegel sind längst verstummt, und ihre Handhabung ist nur noch wenigen bekannt. Mähdrescher drehen heute ihre Runden und verkürzen mithin die einst so arbeitsintensive Erntezeit auf wenige Stunden. Die Mühen früherer Ernten sind vergessen. Die ältere Generation erinnert sichnoch gut an die schwankenden, mit Garben hochbeladenen Erntewagen. Es gab schon lange fahrbare Dreschmaschinen, die auf den Dreschplätzen der Gemeinden bereitstanden, aber in kleineren Betrieben wurde nicht selten die Ernte unmittelbar in die Scheune eingefahren. Dort lagerten die Garben dann zunächst im Obergeschoß. Jahrhunderte war die Scheune und in ihr die Tenne der Arbeitsplatz für den Drusch. Im süddeutschen Raum ist die Scheune fast immer ein Sondergebäude, das am Bauernhaus angelehnt oder in dessen unmittelbarer Nähe errichtet ist. Das Dreschen mit dem Flegel war die härteste Arbeit des bäuerlichen Alltags, die überdies besonderes Geschick verlangte. Gedroschen wurde gewöhnlich nach der Feldbestellung, vorwiegend in den Monaten Oktober-Dezember. Mußte ein bäuerlicher Betrieb sparen. so wurden sogleich während der Ernte einige Garben abgredroschen, um aus dem Stroh die erforderlichen Garbenstricke zu fertigen. Zur Saatfruchtgewinnung war es früher ebenfalls üblich, einen Teil der Frucht bald nach der Ernte zu dreschen. Für den Dreschtag wurde die Tenne ausgeräumt und vorbereitet. Hatte sie einen Lehmboden, so mußte dieser geglättet und gestampft werden. Bei einer Tenne mit Holzbalkendecke genügte es, diese auszufegen. In der Regel geschah dies am Tage vor dem Dreschen. Nach der Größe des Raumes richtete sich die Zahl der Garben, die vom Obergeschoß der Scheune auf den Tennenboden geworfen und dort aufgebunden ausgelegt wurden. Meist entstand dabei eine viereckige Fläche, die etwa 18-32 qm bedecken konnte. Kreisförmige Auslegungen waren seiten.
Die Ähren lagen stets innerhalb der Fläche, die Enden der
Halme
zeigten nach außen. Diese so zum Dreschen ausgelegten Garben
nannten
die Hardtbauern das "Sammet". Jetzt galt es außerdem ein
Sperrbrett,
ein Wagenteil oder eine Stalltüre bereitzustellen. Quer
vor die offene
Scheunentüre gestellt, sollte es die in diese
Richtung fliegenden
Getreidekörner abhalten.
Bis etwa zur Jahrhundertwende gab es Lohndrescher, die teilweise über weite Strecken anreisten, um sich so ihr Brot zu verdienen. Mehrheitlich stützte sich aber die Drescharbeit auf die Nachbarschaftshilfe. Die geleisteten Stunden wurden aufgeschrieben und durch ebenso viele Stunden ausgeglichen. Wenn die Drescher am frühen Morgen anrückten, brachten sie nicht selten ihre eigenen Dreschflegel mit. Andererseits gab es Höfe, auf denen die benötigten Flegel bereitstanden. Ein Dreschflegel besteht aus der Handhabe, dem Stock, der etwa 1 1/2 m lang ist, und dem Schlegel oder Klöppel, der außerdem noch als Schlagholz bezeichnet wird. Die Verbindung zwischen dem Stock und dem Klöppel muß die zum Dreschen nötige Drehbewegung ermöglichen und gleichzeitig einen zuverlässigen Halt bieten. Es gab unterschiedliche Ausführungen. Bei einem vielverwendeten Typ wird ein breites kappenförmiges Lederband am Schlagholz durch einen Bund gehalten, den in das Holz geschnittene Ouerrillen sichern. Ein dünneres, mit einem halben Schlag verknotetes Lederband verbindet den Schlegel mit der Kappe des Stockes. Statt eines Bundes kann sich am Stock auch ein Ring finden, durch den der Verbindungsriemen läuft. Ein in Nordbaden seltener Flegeltyp ist der sogenannte Elsässer oder Franzose. Bei ihm ist das Schlagholz zur Aufnahme des Riemens durchbohrt. Das Schlagholz eines für Getreidestroh bestimmten Flegels ist etwa 50-60 cm lang, gleichmäßig achteckig kantig, um 4 cm dick. Manche Schlaghölzer haben auch einen rechteckigen Ouerschnitt, sind etwa 5-7 cm breit und 3-4 cm dick. andere sind quadratisch. Das Ausgangsmaterial ist fast immer Buchenholz. In der Rheinebene nördlich Karlsruhes wird das Schlagholz als "Haib" bezeichnet.
Es wird berichtet, daß für
jüngere oder
schwächere
Drescher kleinere Flegel vorhanden waren. Übrigens
sind in alten Darstellungen
vorwiegend Dreschflegel abgebildet, deren
Schlaghölzer einen runden Ouerschnitt
haben. Sie waren einmal
beliebter, weil das Korn durch sie weniger gequetscht
oder aufgerissen
wurde. Dennoch hatte sich das kantige Schlagholz bei uns
weitgehend
durchgesetzt. Es ist anzunehmen, daß es mit seiner
größeren
Aufschlagfläche jeweils mehr Körner aus den
Ähren schlug und
somit die Drescharbeit verkürzte.
Im allgemeinen wurde in der Gruppe gedroschen, denn für den einzelnen war die Arbeit zu eintönig und zu schwer. Die Drescher stellten sich an der Außenseite des "Sammets", der ausgelegten Garben, auf und bestimmten die Schlagfolge. Das hatte verschiedene Gründe. Einmal minderte dies die Unfallgefahr, und außerdem ließ sich der Zusammenprall der Klöppel und damit Schaden vermeiden. Dann schritten die Beteiligten langsam an den Garbenlagen entlang und schlugen abwechselnd auf die innenliegenden Ähren. Wie schon bemerkt, war aus der Schlagfolge und dem damit verbundenen Takt die Zahl der Drescher herauszuhören. Ertönte nur der Zweitakt, so ließ dies auf einen kleineren Betrieb schließen, dem vielleicht der Nachbar half. Bei zwei und drei Dreschern wurde zur Einhaltung der richtigen Schlagfolge manchmal nur gezählt. Jeder Drescher schlug allein bei der für ihn bestimmten Zahl zu, bis sich der Rhythmus eingespielt hatte und es des "Eins-zwei-drei" nicht mehr bedurfte. Verbreiteter und beliebter waren die der Zahl der Drescher angepaßten Satz- und Worthilfen. "Katzenkopf" und "Pfaffenkutte"
Während man in Stettfeld und Zeutern beim Zweischlag noch
zählte,
ist für Söllingen und Stebbach das "Tick-tack"
und für Weingarten
das "Klipp-klapp" des "Liedes" belegt. Eine in
Nordbaden geschätzte Dreischlaghilfe
war das Wort "Kat-zen-kopf". Es
ist für den Landkreis Karlsruhe ebenso
nachgewiesen, wie für den
Ort Wittighausen bei Tauberbischofsheim. Überhaupt
überwogen die
Dreischlaghilfen. In Berghausen gab es dafür gleich
mehrere. Es sind
die Hilfen: "Salz-in-d'Supp'", "Speck--in-d'Supp"' und
"Roß-friß-Dreck".
In dem südbadischen Ort Heinibach im
Breisgau ist das Roß ebenfalls
in einen seltsamen Dreischlag
eingegangen. Dieser lautete: "Friß-Roß-Dreck"'.
In Wiesenbach
droschen drei Drescher auf "Knöpf-und-Supp'", in Oberderdingen
waren
es "Schnitz-und-Knöpf". Manche Taktsprüche eigneten
sich
vielleicht für einen Dreischlag, aber ebenso für einen
"Sechser".
In Weiler waren es die Sprüche "Schnitz-und-Knöpf' -
mag-i-nett"
und "Schnitt-ins-Brot - o-der-Tod". Der Vierschlag wurde in
Söllingen
mit "Eß-Ap-fel-schnitz" gehalten, während es in
Weingarten die
"Pfaf-fen-kut-te" war. Die Pfaffenkutte ist bislang nur
für Weingarten
mit seiner früher überwiegend evangelischen
Bevölkerung nachgewiesen.
Eine der Konstitution der Drescher angepaßte Schlaghilfe war in Friedrichstal üblich. Wenn dort eben Schulentlassene oder weniger schlagkräftige Drescher mithalfen, so leitete ein "Pitsch-patsch-pump-pauf" einen Vierschlag ein. Der Schwächste schlug auf "Pitsch", der Kräftigste, vielleicht der Vater, auf "pauf". Je mehr Drescher tätig waren und je rascher die Schlagfolge damit wurde, um so wichtiger vermutlich die Einhaltung des Taktes. Befragungen verliefen hierzu nicht sehr ergiebig, denn der zeitliche Abstand ist mittlerweile zu groß geworden. Ein Weingartener Fünfschlag, der sich für sechs Drescher erweitem ließ, lautete: "Heb'-den Bock-am-Horn". Drosch ein weiterer, so wurde aus dem Horn ein "Hörn-le". Diese Methode war nicht nur in Baden bekannt. So droschen die Drescher in der Schweiz auf den Namen ihres Schutzheiligen Bartholomäus und kürzten dabei den Namen nach Bedarf. Zwei Männer riefen: "Bar-thol - Bar-thol!", drei "Bar-tho-lo - Bar-tho-lo!". Bei fünf Dreschern war dann der vollständige Name des Heiligen das "Schlagwort". Einen netten Fünfschlag. bei dem es um den Nabel einer Babette ging, kannten die Drescher von Stebbach. Er lautete: "Hop-s-Bä-we-le - i-kratz-dei-Näbe-le". Die Kurzform "i" (ich) ging nicht in die Schlagfolge ein. Nach dem "Bäwele" wurde erst wieder auf "kratz" zugeschlagen. Unklar ist, was sich die sechs Drescher in Hockenheim unter "Ge-bit-ter-te-Äp-fel" vorstellten. Dafür läßt sich die Schlaghilfe "Koch-Fleisch-und-koch-Klös-se", ein Sechsschlag aus Unterwittighausen, durchaus mit dem sprichwörtlichen Appetit der Drescher verbinden.
Allerlei wäre noch über das
Dreschen zu berichten. So ließen
sich nur aus dem mit dem Flegel
gedroschenen Stroh die früher so verbreiteten
Flechtarbeiten
ausführen. Das waren einmal die zur Ernte benötigten
Garben-
oder Schaubseile, dann die Backnäpfe, in die der Teig zum Nachtreiben
gegeben wurde. Nicht zu vergessen die Strohschuhe aus dem Schwarzwald und
die ehemals strohgedeckten Dächer dort. Doch soll hier kein leeres
Stroh
gedroschen werden. Vielleicht gelang es, ein inzwischen beinahe
vergessenes
Brauchtum wieder in Erinnerung zu rufen und vor dem Vergessen
zu bewahren.
Takthilfen
badischer Orte
|
6831
Reilingen |
3 Drescher |
"Knöpf' und Supp'" |
6832 Hockenheim |
3 Drescher 6 Drescher |
"Knöpf' und Supp'" "Gebitterte Äpfel" |
6901
Wiesenbach |
3 Drescher 4 Drescher |
"Knöpf' und Supp'" "Kaffeetute" |
6922 Meckesheim |
3 Drescher 4 Drescher |
"Knöpf' und Supp'" "Kaffeetute" |
6971 Unterwittighausen |
2
Drescher 3 Drescher 6 Drescher |
"Klipp,
klapp" "Katzenkopf" "Koch Fleisch und koch Klöße" |
7500 Grünwettersbach |
3 Drescher |
"Katzenkopf" |
7500 Palmbach |
3 Drescher |
"Katzenkopf" |
7500 Stupferich |
3 Drescher |
"Katzenkopf" |
7501 Waldbronn |
4 Drescher |
"Schnitz und
Knöpflen" |
7504 Weingarten |
2 Drescher 3 Drescher 3 Drescher 4 Drescher 5 Drescher 6 Drescher 6 Drescher |
"Klipp, klapp" "Schnitz und Knöpf'" "Halt den Takt" "Pfaffenkutte" "Heb'den Bock am Horn" "Heb' den Bock am Hörnle" "Schnitz und Knöpf'- mag i net" |
7507 Berghausen |
3
Drescher 3 Drescher 3 Drescher 4 Drescher |
"Salz in dSupp'" "Speck in d'Supp'" "Roß friß Dreck" "Eins, zwei, drei, vier - es gibt kein Bier" |
7507 Söllingen |
2 Drescher 4 Drescher 5 Drescher |
"Tick, tack" "Eß Apfelschnitz" "Höret die Drescher - sie halten den Takt" |
7513
Blankenloch |
3 Drescher 3 Drescher 3 Drescher 3 Drescher 5 Drescher 6 Drescher |
"Druf und drei" "Klipp und klapp" "Speck in d'Supp'" "Salz in d'Supp'" "D'Motter backt Küchlen" "'s gibt Fleisch und gibt Knödel" |
7513 Friedrichstal |
3
Drescher 4 Drescher |
"Schmalz in d'Supp'" "Pitsch, patsch, pump, pauf" |
7519
Oberderdingen |
3 Drescher 4 Drescher |
"Schnitz' und
Knöpf'" "Schnitz und Knöpfle" |
7519 Stebbach |
3
Drescher 5 Drescher 5 Drescher |
"Extra Weck" "Höret die Drescher - sie halten den Takt" "Hopsa Bäwele - (i) kratz dei Näbele" |
7521 Ubstadt |
3 Drescher |
"Eins, zwei, drei" |
7521
Weiher |
3 Drescher 6 Drescher |
"Schnitt ins
Brot" "Schnitt ins Brot - oder Tod" |
7521 Stettfeld |
3 Drescher |
"Eins, zwei, drei" |
7521
Zeutern |
3
Drescher |
"Eins, zwei,
drei" |
7593
Ottenhöfen |
3
Drescher 3 Drescher 4 Drescher 4 Drescher | "D'Mag(d) kocht Supp'" "Krut und Speck" "D'Mag(d) het Supp kocht" "Schlag, kurz, kurz, kurz" |
7600
Zell-Weierbach |
4
Drescher |
"Schiß in d'Kapp'
und - zieg' am Zipfel" |
7623
Schenkenzell |
3
Drescher 3 Drescher 3 Drescher |
"Roß friß Dreck"- "Salz in d'Supp'" "Speck in d'Supp'" |
7807
Biederbach |
2
Drescher 4 Drescher |
"Kumm, kumm" "Speck an d'Suppe" |
7834 Herbolzheim |
4 Drescher |
"Zack, zack,
zack, zack" |
7835
Heimbach |
3
Drescher |
"Friß
Roßdreck" |
andere Gegenden: |
||
3590 Reinhardshausen
|
3 Drescher |
"Fett in's Deppe" |
5540
Prümm |
4
Drescher |
"Flapp küt hok
net'" (Philipp kommt heute nicht) |
6780 Pirmasens |
2 Drescher 3 Drescher 4 Drescher |
"Wie matt" "Drei Drescher" "Jetzt geht's besser" |
Niedersachsen |
2 Drescher 3 Drescher 4 Drescher 5 Drescher 6 Drescher |
"Sla tau" "Sla du tau" "Sla du ook tau" "Sla du ook man tau" "Sla du ook man noch tau" |
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