Friedkreuze und Friedsäulen, Zeichen des Weichbildes

Karl-Heinz Hentschel, Karlsruhe


Das "löcherige Creutz"
Das Wahrzeichen der Märkte, vermutlich eines der ältesten, öffentlichen Hinweiszeichen, war das Friedkreuz, zumeist ein Holzkreuz, als Verkünder des sogenannten St. Peters- oder Gottesfriedens. Der an ihm aufgehangene Königshandschuh bewies die vom König bewilligte Marktfreiheit, die den Marktbesuchern freien Zutritt und verstärkten Schutz gewährte. An Marktgängern innerhalb des Marktfriedens verübte Straftaten bewirkten fast immer die doppelte Strafe. Darüber hinaus waren Marktbesucher  gegen gerichtliche Verfolgung wegen aller außerhalb des Ortes entstandenen Schuldforderungen geschützt (vgl. Reallexikon der deutschen Altertümer 1885: 640).

Ursprünglich galt der Marktfrieden nur während der Marktstunden. Später wurde er auf den Tag vor und nach dem Markt ausgedehnt. Die Marktgänger konnten damit an drei Tagen den Marktfrieden nutzen, was wiederum den Städten zusätzliche Einnahmen erbrachte. Etwa seit dem 11. Jahrhundert galt das Marktrecht für alle Bewohner des Marktortes und reichte in der Regel bis zum ersten Meilenstein. Von diesem bis zum Mittelpunkt des Marktortes dehnte sich der Friedkreis aus, mit der Meile als Radius, die Bannmeile (vgl. Spiess 1916: 62).

An den Grenzen der Städte standen in alter Zeit ebenfalls Friedkreuze, manchmal auch Friedsäulen für das sogenannte Weichbild, das Gebiet, in welchem Unfrieden und Gewalttaten harte Strafen nach sich zogen.

Das Weichbild geht mit den Begriffen Burggeding, Burgfrieden einher und hat regional sehr verschiedene Bezeichnungen, wie Bann, Zwing, Flur, Landwehr, Grenze, Gebiet. Theodor Knapp berichtet von 22 Friedsäulen, die das Gebiet des Klosters bei Kempten umgaben (vgl. Knapp 1909: 36). Über die Form und das Aussehen solcher Friedsäulen scheinen wenig Erkenntnisse vorzuliegen. Möglicherweise glichen sie dem Trierer Marktkreuz, das mit der Verleihung des Marktrechtes an den Trierer Erzbischof Heinrich I. im Jahre 958 erstellt wurde. Dieses romanische Kreuz, eine Art Tatzenkreuz mit breit auslaufenden, gleichlangen Balken, ruht auf einer ursprünglich antiken Säule. Trier, die  älteste Stadt Deutschlands, deren Dom die ebenfalls älteste Bichschofskirche ist, kann nicht ohne Einfluß geblieben sein. Schließlich hielten gerade im frühen Mittelalterdie religiösen Zentren geistige und kulturelle Strömungen in Bewegung.

Die Einführung des Weichbildrechtes entsprach gewiß einem gestiegenen Sicherheitsbedürfnisses und förderte zugleich die Entwicklung der jungen Städte.  Für etliche deutschsprachige Städte bildeten die Weichbild-Bestimmungen in den Magdeburger Weistümern von 1188 die Grundlagen für ihre eigenen Verordnungen. "Wicbilede" wird erstmal urkundlich im Jahre 1170 in Leipzig erwähnt (vgl. Meyer 1899: 408). In Westfalen ist "Wickbileden" für das Jahr 1142 nachgewiesen. Als "Wickbolde" findet es sich 1259 in Bremen (vgl. Grimm 1960: 475). In Norddeutschland, so in Bremen und Wedel (Holstein), verkörpern Rolandfiguren auf den Marktplätzen die städtischen Rechte und Freiheiten.

Johann Oetinger berichtet 1670 von hölzernen Kreuzen und Bildstöcken, die in alter Zeit an den Weichbildgrenzen der Städte standen. An diesen zeigten eine Faust und ein Schwert die Grenzen der Gerichtsbarkeit über Hals und Hand an, vor der man "zurückweichen" mußte. Und dann folgt:" Wie dann noch jetziger Zeit gebräuchlich, daß man an den Strassen und Gräntzorth, wie auch an die Untermarck der Feldgüter, Creuz und Bildstöck setzet, den unbefugten Eingang dadurch zu verwarnen" (Oetinger 1670: 86, zitiert nach Zedler 1738:  Sp. 833). Diese Aussage könnte der Steinkreuzforschung neue Ansatzpunkte liefern.

Zedlers Universallexikon von 1738 gibt Oetingers Zitat in Band 11, Sp. 833 unverändert wieder. Kreuze standen somit an manchen Orten als Grenzzeichen, was bisher viel zu wenig beachtet wurde. Bei Zedler wird zum Weichbild bemerkt, daß es ebenso Weit-Bild oder Weit-Biet heißen könne, weil das Recht so weit, wie das Gebiet gehe. Heinrich Hildebrand schrieb in seiner Dissertation im Jahre 1710: "Weichbild, quasi ein Bild dem man weichen soll." Die gleiche Auffassung vertritt Beck im Recht der Grenzen und später Roppelt, in seiner 1775 erschienenen Arbeit (vgl. Beck 1754: 99; Hildebrand  1710: 5; Roppelt 1775: 23).

Im Memmimger Stadtrecht von 1336 findet sich eine Bestimmung, die sich ebenso auslegen läßt. "der von gült wegen flüchtig wirt, sol weder gen sant Niclaus noch jnner die Frydsul kommen." (Rechtsbuch der Stadt Menmmingen: anno 1396).

Mancher Fahrende dürfte diesen städtischen Rechtgrenzen ausgewichen sein. Es darf aber nicht verschwiegen werden, daß es Autoren gibt, die in dem lateinischen Wort "Vicus" = Dorf, Gehöft, den Ursprung für das Weichbild sehen. Eine fast gleichlautende Erklärung bietet Mayers Enzyklopädie, Ausgabe 1978. Die Endung "bild" wird dort von "Bilede" = Recht abgeleitet. Es ist aber zu beachten, daß den Deutungen das Wort "vermutlich" beigefügt ist. Der Ursprung desWeichbildes liegt somit noch immer im Dunkeln.

Noch bis ins 18. Jahrhundert standen an manchen Ortsausgängen hohe Holzkreuze, Nachfahren der einstigen Fried- und Marktkreuze. Andererseits nutze man noch im Mittelalter die lange Lebensdauer des Steines und entschied sich überdies für eine andere Form, den Kreuzstein. Der Kreuzstein besteht aus einer aufrechtstehenden, dicken und masiven Steinplatte mit vertieftem oder erhabenem Kreuz.

Die Stadt Freiburg i.Br. war im Jahre 1368 von 19 Kreuzen (Kreuzsteinen) umgeben, die gewiß den Friedkreis anzeigten. Eine Bestimmung aus dieser Zeit lautet: "wem ouch die stat zu friburg verbotten wir....der soll ouch für alle krütze us, und da uswendig belieben, als lange das gebot ist." (Schreiber 1828: 393, 513 ff.). Wer also Stadtverbot hatte, durfte sich nur hinter den Kreuzen, hinter dieser Grenze aufhalten.
 
Ein Kreuzstein, der im 14. Jahrhundert an der Grenze der Stadt Freiburg stand, wurde  im vorletzten Jahrhundert in der Nähe  des alten Bahnhof Wiehre, im Gewann Pfaffenkreuz gefunden. Er gehörte bis zum Jahre 1982 zum Bestand des Augsutinermuseums und fand inzwischen im Treppenhaus des städtischen Vermessungsamtes einen neuen Platz. Erstmals beschrieb P.Albert den Freiburger Kreuzstein in seinem Aufsatz über das Bischofskreuz bei Betzenhausen. Er vergleicht die beiden Kreuzformen und sieht in dem Kreuzstein ein ehemaliges Grenzzeichen. Albert bezieht sich dabei auf die Angaben in Schreibers Urkundenbuch, das 1828 erschien. Daraus geht hervor, daß in der Bannbeschreibung der Stadt Freiburg von 1368, an Stelle des Wortes Markstein, immer das Wort Krütz gesetzt wurde (vgl. Albert 1904: 345).

Der Freiburger Kreuzstein, ein massiver Bruchstein, hat eine Höhe vom 126 cm und 70, bzw. 60 cm Seitenlänge. Das Kreuz im oberen Teil des Steines ist in Stil und Form des 13./14. Jahrhunderts reliefartig ausgehauen. Die gleichlangen Längs- und Querbalken erweitern sich zu den Enden leicht bogenförmig. Der untere Teil des Längsbalkens ruht auf einem  verjüngten, kurzen Schaft, den ein vorspringender Absatz am Steinblock begrenzt. Die Ähnlichkeit mit alten Marktkreuzen ist unverkennbar. In der Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels ist in der Illustration zum Landrecht III § 1 ein Marktkreuz wiedergegeben, mit dem das Freiburger Kreuz vieles gemeinsam hat. Eine Darstellung in der Heidelberger Bilderhandschrift zum Landrecht III 25, § 2 ist ebenfalls noch ähnlich. In der gleichen Handschrift ist freilich an andere Stelle ein schlankgeformtes Marktkreuz mit parallelem Balkenverlauf abgebildet. Lassen wir seine geschweift gestalteten Balkenenden außer acht, so sehen wir in ihm das typische, lateinische Holzkreuz.

Im Stadt- und Landkreis Bayreuth ind noch heute 38 Kreuzsteine nachgewiesen. Für zwei von ihnen gibt es Beweise, daß sie an der alten Stadtgrenze standen (vgl. Dill 1981: 8ff.). In  der Schweiz ist für eine Anzahl von Kreuzsteinen deren Funktion als Zeichen der Fried- und Stadtgrenze gesichert. Darüber hinaus ist dort der Kreuzstein in einer Reihe von Gewannamen und Urkunden anzutreffen.

Im Wandel der Geschichte, in der Siedlungen verschwanden, neue entstanden, lassen sich heute Kreusteinstandorte nicht immer erklären, da ohnedies die alten Weichbildgrenzen im Dunkeln liegen. Selbst an Landesgrenzen standen Kreuze als Grenzmarken. Für die kleine Gemeinde Liebenscheid in Hessen ist das nachgewiesen. Dort standen sieben, roh behauene, plumpe Steinkreuze an der hessisch-westfälichen Grenze. In einem Weistum von 1559 hießen sie "Margsteine". Von ihnen stehen noch drei an der Grenze, zwei wurden inzwischen landeinwärts versetzt. Keines dieser Kreuze trägt eine Inschrift. Nur die Aufzeichnungen von 1559 und die Angaben in einem alten Plan dokumentieren unwiderlegbar, die einstigen Standorte. Ohne dies Belege hätte niemand die beiden Kreuze als frühere Grenzzzeichen anerkannt (vgl. Brockpaehler 1963: 95).

Johann Oetinger schloß mit seinem Werk über die Grenzen und Marksteine im Jahre 1670 unbestreitbar eien Lücke, denn bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wird er immer wieder zitiert. Wichtige Textstellen seiner Arbeiten gingen wörtlich in anerkannte spätere Arbeiten ein. Wir dürfen deshalb Oetingers Angaben über Bildstöcke und Kreuze an Grenzen durchaus ernst nehmen. Es gab solche Grenzzeichen und daran können gegenteilige Ausagen in neueren Arbeiten nichts ändern.

Freilich erwähnt J.Beck in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts nur noch die Bildstöcke und Kreuze an den Geleitgrenzen. Für Kreuze an Grenzen finden sich bei ihm keine Hinweise. Beck, der sich sonst immer wieder auf Oetinger bezieht, geht gerade auf diesen Punkt nicht ein.

Die Erklärung scheint auf der Hand zu liegen. Ein inzwischen verändertes Bewußtsein fand in der Vernunft und Einsicht neue Lebensmaßstäbe. Im Zeitalter der Aufklärung verlor die Religion mit mit der nun beanspruchten individuellen Freiheit ihren Einfluß. Ein Kreuz als Grenzzeichen war nicht mehr denkbar. Mit der in dieser Zeit ohnehin häufigen Neuvermessungen, dürften die letzten religiösen Grenzmarken ihre Funktion verloren haben. Weltliche Grenzsteine traten an ihre Stelle. Möglicherweise fanden sich für einige dieser nunmehr nutzlosen Kreuze neue Standorte. Andere gingen zu Bruch. In manchen evangelischen Gemeinden wurden schon in der Reformationszeit viele Kreuze systematisch zerstört. In einigen Fällen könnten Kreuze der sogenannten "Steinkreuznester" aus früheren Grenzlinien stammen.

Am Höhenweg von Wertheim nach Bronbach stehen im Ortsbereich von  Reichholzheim in einer Stützmauer 14 nebeneinander eingemauerte Steinkreuze. Ihre Stilmerkmale weisen in der Hauptsache in die Wende des 15. /16. Jahrhunderts. Sie bilden die größte bekannte Ansammmlung von Steinkreuzen in Baden-Württemberg (vgl. Losch 1981: 114.). Mehrheitlich sind es relativ hohe Kreuze mit einer Hoehe von 170 - 110 cm. Nur zwei Kreuze der Reihe nähern sich mit 63 und 64 cm den Durchschnittswerten der Sühnekreuze.

Für den Ortsteil Reichholzheim ist schon für das Jahr 1199 eine Pfarrei nachgewiesen. Auf das 17. Jahrhundert wurde der Ort reformiert, kehrte aber schon  1674 wieder zum Katholischen Glauben zurück. Möglicherweise sind die 14 Kreuze bald nach 1674 zusammengefaßt worden.

Für die Ansammlung dieser Kreuze gibt es bisher keine überzeugenden Erklärungen. Noch im  19.Jahrhundert war die Zahl solcher "Steinkreuznester" nicht gering. Inzwischen sind nur noch wenige dieser eindrucksvollen Kreuzgruppen  anzutreffen. Die geringe Größe dieser Kreuze und die fehlende Beschriftung könnten auf einstige Grenzmarken hindeuten. Viele Kreuze erfuhren durch Ausbesserungen und Erneuerungen in den letzten Jahrhunderten wesentliche Veränderungen. Wir können deshalb nicht immer aus den uns gegebenen Merkmalen, Zeichen, Inschriften und Standorten allemal gesicherte Schüsse ziehen. So fehlen heute an den wenigen uns verbliebenen Geleitkreuzen teilweise wichtige Merkmale, wie das Wort Geleit und die Jahreszahl des Geleitvertrages.

Für Kreuze ohne Inschriften läßt sich manchmal in alten  Grenzbeschreibungen, Flurkarten und Urkunden eine Erklärung finden. Vielleicht sind auch Kreuze, die einmal Grundtücksbesitz abgrenzten (Oetinger S.86) in die oben genannten Kreuzgruppen eingegangen.


Steinkreuze, Sühnezeichen und Mahnmale

Die Steinkreuzforschung unterscheidet heute zwischen Steinkreuzen und Hochkreuzen. Hochkreuze, auch Feld- und Flurkreuze sind mehrheitlich mit einem Kruzifix versehen und gehen fast immer auf einen oder mehrere Stifter zurück. Selten sind sie älter als 300 Jahre. In der Sockelinschrift sind neben einem religiösen Spruch durchwegs die Namen der Stifter.
 
Die Maße der kleineren Steinkreuze ist recht unterschiedlich. Ihr Höhe bewegt sich zwischen 40 und selten 150 cm, wobei der Mittelwert bei etwa 80 cm liegt. Etwa 80%  allerSteinkreuze  sind unregelmäßig, teilweise auffallend asymetrisch zugehauen. Der überwigende Teil der Kreuze kann nur aus einfachster Produktion stammen. Diese Kreuze regten schon immer die Phantasie des Volkes an. Als Sühne für einen Totschlag erstellt, lassen sie sich bis in das 13. Jahrhundert nachweisen. Als Mahnmal waren sie Teil einer Kirchenbuße, neben den an die Hinterbliebenen und an das "Gotteshaus" zu entrichtenden Geldbeträgen.

Ohne die noch in alter Zeit geübten Blutrache sollte der Erschlagene keine Ruhe finden. Mit der Blutrache kam es aber zwangsläufig zu Zwistigkeiten zwischen den Sippen und zu neuen Toten. Schon in der deutschen Ausgabe des Sachsenspiegels um 1220/30 sind im dritten Buch des Landrechtes Bestimmungen, die zu einer friedlichen Lösung führten. Ab Kapitel 45 wird auf das Manngelt (wergelt) eingegangen. (Sachsenspiegel, 3. B., K. 45). Manngeld ist das ursprünglich an die Sippe des Getöteten als Ablösung für die Blutrache zu zahlende Sühnegeld. Dessen Höhe richtete sich nach dem Stand des Getöteten. Allerdings wurde zwischen Totschlag und vorbereitetem Mord unterschieden. Mord war nicht mit Geld zu sühnen und wurde von den jeweils zustaendigen Gerichten verurteilt.

Die Mehrzahl der alten Steinkreuze sind offenbar als Sühne für einen begangenen Totschlag vom Täter errichtet worden. In der Regel wurde zwischen dem Täter und der Sippe des Getöteten ein Vertrag abgeschlossen. In diesem Vertrag ging es vorrangig um das Seelenheil des Verstorbenen, aber eine Reihe von Bedingungen sollten auch den Täter zutiefst demütigen. Für manchen Täter war es sicher nur mit Hilfe seiner Angehörigen möglich, die finanziellen Verbindlichkeiten solcher Verträge zu erfüllen. Mehrheitlich werden diese Verträge als "Totschlagbriefe" bezeichnet. In den ehemaligen vorderösterreichischen Gebieten Badens waren es "Urfehdebriefe". Die Urfehde war ein eidlich gelobter Verzicht auf Rache für erlittene Feindschaft. Wer diese Zusage nicht einhielt, galt als Meineidiger. Auf zwei im Generallandesarchiv Karlsruhe vorliegende Urfehdebriefe sei hier eingegangen (Urfehde - Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 21/7246 und Abt. 21/7982).

Urfehde


Am 21. Februar 1481 wurden die Sühnebedingungen für einen von Hans Fricker in Tenningen begangenen Totschlag ausgehandelt. Zugegen waren alle vier Brüder des Beschuldigten, sowie vier Brüder des Erschlagenen. Die Brüder Frickers nannten die offenbar schon zuvor festgelegten Bedingungen. Zunächst sollte Hans Fricker zwei Wallfahrtsorte in der Nähe in einem Gang barfuß und mit einem Pfund Wachs aufsuchen. Weiteren kleinen Wallfahrten hatte dann ein Bußgang nach Einsiedeln in der Schweiz zu folgen. In der Zeit zwischen dem Vertragsabschluß und dem folgenden Pfingstfest sollte Fricker dreißig Messen lesen lassen und dafür dreißig halbpfündige Kerzen bereitstellen. Schließlich hatte er noch ein Steinkreuz in Auftrag zu geben. Der Originaltext lautet: "Item laße er machen und setzen ein Stain Krütz nach bruch sytt und gewonhait deß Landes. "Um sträflicher Pain" zu verhüten, mußte Hans Fricker dem Marggrafen, den Amtleuten und dem Gotteshaus, fünfzehn Pfund Pfennig Freiburger Währung zu Sankt Martin zahlen. Danach aber jährlich fünf Pfund Pfennig auf jeden Sankt Martinstag.

Über einen Totschlag den Hans Schmidt in Todtnauberg an Hans Brender, dem Sohn des Altvogts Lorenez Brender begangen hatte, kam es am 15. Oktober 1504 in Todnau zu einer Verhandlung. In dem Sühnebrief werden zuerst sechs Schiedsleute genannt. Zusammen mit dem Täter Hans Schmidt sind drei weitere Personen aufgeführt. Vermutlich begleiteten sie ihn als Freunde oder Verwandte. Es wird dann noch darauf hingweisen, daß viele fromme, ehrbare und biedere Leute, Freunde, Gesellen und Gönner, auf beiden Seiten ihre Meinung zu dem Brief kund taten.
 
In der Einleitung zu den einzelnen Bedingungen erfahren wir nochmals, daß fromme ehrbare Leute "zu einem freundlichen gütlichen Tag" gekommen seien. Ferner wird vermerkt,daß sich die obengenannten Schiedslaute der Sache mit Fleiß und Gütlichkeit nach bestem Verständnis angenommen haben. Dann folgen im Brief die Sühneauflagen für den Täter Hans Schmidt. So mußte er auf seine Kosten für die arme Seele des Erschlagenen durch vier Priester eine gesungene Seeelenmesse lesen lassen, der sich drei weitere Seelenmessen anzuschließen hatten. Zu den vier genannten Messen gehörten vier Baumkerzen von je einem Pfund. Damit aber dreißig Messen erreicht und gehalten werden, "der armen Seele zu Trost und Hilfe", waren nochmals sechsundzwanzig Messen fällig. Als nächstes forderte der Vertrag eine Wallfahrt zu den lieben Frauen in Todtmos mit einem Pfund Wachs. Dem schloß sich eine Wallfahrt zuden lieben Frauen in Einsiedeln an, wozu ebenfalls en Pfund Wachs gehörte. Für den Besuch der beiden Orte "in zweyen mondten" war eine Bestätigung vorzulegen. Wie in den meisten Sühneverträgen jener Zeit, durfte auch das Steinkreuz nicht fehlen. Der zugehörige Text lautet:"So soll er loß noch ein steine creuz sechs Schuh lang und drey Schuh breite" Weiter heißt es:"So soll er mit seinem Eigenen Leib eine fart [machen] zu des lieben Heiligen Klosters Sanct Peter und Palj zu Rom in eines Jars frist." Wenn aber Hans Schmidt innerhalb dieses Jahres"abgieng" [sterben sollte], so sind dies seine Erben schuldig. Auch für die Wallfahrt nach Rom war eine beglaubigte Bescheinigung vorzulegen. Zuletzt bekam Hans Schmidt den Auftrag, die Kosten für den Scherer zu übernehmen und den Schreiber des Sühnebriefes zu bezahlen. Der Scherer (Barbier) versah in jener Zeit das Amt des Chirurgen. Vermutlich wurde seine Hilfe nach der Tat in Anspruch genommen.

Gedenkkreuze


Gedenkkreuze sind Male der Erinnerung an einen Toten, der durch einen Unglücksfall oder durch Gewalt sein Leben verlor. Die ersten Gedenkkreuze für Gewalttaten errichtete man vermutlich nur dann, wenn der oder die Täter unbekannt waren oder entkommen konnten und die Tat somit ungesühnt blieb. Sie scheinen erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts, ja vielleicht erst im 17. Jahrhundert aufgekommen zu sein. Inschriften an diesen Kreuze sind nicht so selten. Vermutlich duerfte auch ein beschriftetes Steinkreuz in Tiefenbronn (Enzkreis) schon ein  Erinnerungskreuz gewesen sein. Über einem grossen, liegenden Weberschiffchen im Kopf und Querbalken die Inschrift:"1595/DEN 8 TAG/FEBRAUARÜ/AN DIESE ORT WART ERSCHLAGEN/JERG PFEFFELIN VON MECRCKLINGEN/DAS THUR ICH KLAGEN" (Losch 1981: 73). Das Kreuz steht heute in Tiefenbronn, im Ortsteil Mühlhausen in der Grünanlage beim neue Schloß.

Ein Steinkreuzüberrest ohne Arme steht im Staatswald "Teninger Allmend", (Landkreis Emmendingen) das 1758 eine Inschrift bekam. Sie lautet:"1758/war die Zeit/so man/erschlug die/beckenmeid/den namen/niemand/weist darumbt/ man allso die richtstatt so heisst/ wanderer weil/ auf dieser Stell/ und beth für deine und ihre sell." Auf der Rückseite:"RENoV:/V/BEZ:FöRsTER/FiScHER" (ebenda: 230).

Nach seinen noch erkennbaren Stilmerkmalen dürfte das Kreuz im 15. Jahrhundert entstanden sein. Ich vermute, daß es sich um das Rudiment jenes Sühnekreuzes handelt, das nach dem Urfehdebrief vom 21. Februar 1481 von Hans Fricker für seinen in Tenningen begangenen Totschlag zu erstellen war. Förster Fischer hat es dann als Mahnmal für die erschlagene "Beckenmeid" beschriftet.

Steinkreuze und ihre Zeichen


An den kleinen Steinkreuzen angebrachte Zeichen wurden lange als die Mordwerkzeuge gedeutet, Aber inzwischen ist es gewiß, daß sie an Stelle einer Schrift, eines Namens, fast immer den Berufstand des Erschlagenen anzeigen. In einer Zeit, in der die Mehrheit weder lesen noch schreiben konnte, gaben diese Zeichen eindeutige Hinweise auf den Getöteten. Sehr oft findet sich das Sech. Das Sech ist das lange, am Pflugbaum eingepflockte Messer. Es schneidet vor der Pflugschar die Erde. Beide Zeichen, das Sech und das Symbol für die Pfugschar  kamen für einen Angehörigen des bäuerlichen Standes an die Kreuze. Es folgt das Rebmesser, Beile, Berufszeichen aller Art, Spinnwirtel und Spindel, letztere sicher als Symbole für eine Frau, Rad und Beil, als Zeichenfür einen Wagner, Aber es gibt auch ein Steinkreuz auf dem eine Schuhsohle und ein Messer eingerillt sind (vgl. ebenda: 39).

Nach der volksümlichen Überlieferung sollen sich ein Schuster und ein Schäfer gegenseitig umgebracht haben. Oder ein Schäfer wollte einen Schuster  berauben, aber der tötete ihn. Der Hund des Schäfers tötete darauf den Schuster und so lagen beide tot nebeneinander. Die überlieferten Geschichten und Sagen sind oft recht seltsam und führen kaum zum wahren Geschehen. Nur die sogenannten Totschlag- und Urfehdebriefe sind manchmal ein Hilfe. Bedauerlicherweise  sind nur noch wenige dieser Urkunden vorhanden.



Literatur- und Quellenhinweise

Albert P. P. (1904): Das Bischofskreuz bei Betzenhausen, in: Freiburger Diözesanarchiv Bd.5.
Beck, J. J. (1754): Vollständiges Recht der Grenzen und Marksteine. Nürnberg.
Brockpaehler, W. (1963): Steinkreuze in Westfalen. Münster.
Deutsches Rechtswörterbuch (1984) Band 8. Weimar.
Dill, K. (1981): Steinkreuze und Kreuzsteine in Stadt-und-Landkreis Bayreuth. Bayreuth.
Grimm, J. u. W. (1854-1971): Deutsches Wörterbuch. Leipzig u.a.
Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 21/7246 und Abt. 21/7982
Hildebrand, H. (1710): Vom Unterschied der Gräntz- u. Marksteine u. deren Befugnis. Altdorf.
Knapp, Th. (1909): Über Marksteine u. andere Grenzzeichen, in: Wttbg. Jahrbuch für Statistik und Landeskunde.
Losch, B. (1981): Steinkreuze in Baden- Württemberg. Stuttgart.
Meyer, H. (1899): Das deutsche Volkstum. Leipzig.
Oetinger; J. (1670): Fractatus de jure et controversiis limitum.... oder gründlicher Bericht von den Gräntzen und Marcksteinen. Augsburg.
Reallexikon der deutschen Altertümer (1885): Götzinger E. Leipzig.
Roppelt J. Bapt. (1775): Praktische Abhandlung von den Grenzzeichen samt einer geometrischen Unterweisung zum Nutzen und Gebrauch der Kloster Banzischen Märker und anderer Liebhaber. Coburg.
Sachsenspiegel, Eike von Repgow. Herausgeber C. Schott (1984): Landrecht. 3. Buch, Kap. 45, Zürich.
Schreiber H. (1828): Urkundenbuch de Stadt Freiburg im Breisgau, Band I. II.Abt. S. 513 ff und S. 393. Freiburg.
Sammlung historischer Schriften und Urkunden 5. 1836. (Rechtsbuch der Stadt Menmmingen: anno 1396).
Spiess, W. (1916): Das Marktprivileg. Heidelberg.
Urfehde - Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 21/7246 und Abt. 21/7982.
Zedler, Hrsg.(1738): Großes vollständiges Universallexikon. Leipzig.



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