Karl-Heinz HentschelRatschläge zum Umgang mit ur- und frühgeschichtlichen Bodenfunden
Schon Jahrtausende leben Menschen in
unsere Heimat. Völker kamen und
gingen, Siedlungen entstanden und
verschwanden. Alle diese Vorgänge,
über die kein Geschichtsbuch
berichtet, haben ihre Spuren im Boden hinterlassen.
Im einzelne handelt es sich um: Wie und wo werden Funde gemacht?
Meist kommen Bodenfunde bei
Erdarbeiten zutage, also beim Pflügen auf
dem Acker, beim Anlegen von
Rübenlöchern, bei Ausschachtungen für
Hausbauten, bei
Kanalisationen, in Sand-, Kies- und Lehmgruben, in Steinbrüchen,
kurz
überall, wo der Boden aufgeschlossen wird. Grundsätzlich
kann
allerorten mit Funden gerechnet werden, selbst an Stellen, die heute
als
Wald, Sumpf oder Ödland nur beschränkte
Nutzungsmöglichkeiten
bieten
Die Archäologie ist auf sachverständige Hilfe angewiesen
Die Bodendenkmalpflege braucht
freiwillige Helfer, die durch ihre Tätigkeit
zur Geschichtsschreibung
beitragen. Nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen
kann diese Hilfe
zunächst nur im Bereich der Beobachtung liegen. Einen
großen
Teil aller Funde verdanken wir gerade der Aufmerksamkeit und
dem richtigen
Verhalten von freiwilligen Mitarbeitern oder von Personen,
die ihnen
bekanntgewordene Funde meldeten.
Worauf ist zu achten, was ist zu tun?
Zunächst: Jeder
Eingriff in den Boden hinterläßt Spuren,
die oft noch nach
Jahrtausenden sichtbar sein können. Eine wieder
aufgefüllte
Grube hat nie mehr den selben Wasser- und
Mikrobenhaushalt wie der sie umgebende,
gewachsene Boden. Die Füllung
wird in der Regel mit der Zeit dunkler
und meist auch wesentlich
härter. Dadurch zeichnet sie sich in ihren
ursprünglichen
Umrissen mehr oder weniger deutlich ab.
Vorgeschichtliche
Häuser waren oft als sogenannte Grubenhäuser
angelegt. Ein Teil
der Hausfläche lag vertieft im Boden. Zur
Fertigung der Aussenwände
und zur Errichtung der Dachkonstruktion
mussten Pfosten eingerammt werden.
Alle derartigen Vorgänge
veränderten an der Stelle des Eingiffs
den gewachsenen Boden. In
Sandböden sind die so entstandenen Bodenverfärbungen
manchmal
nicht sehr deutlich. In Lössböden aber sind die
scharf
abgegrenzten Farbveränderungen klar zu erkennen.
Werden bei Erdarbeiten alte Gruben oder Pfostenlöcher geschnitten, so sind die ursprünglich von ihnen eingenommenen Räume meist sichtbar. Horrizontal geschnittene Pfostenlöcher zeigen sich als runde, schwarze Flächen. Bei vertikalen Schnitten ist manchmal noch die einstige Zuspitzung der Pfosten erkennbar. Gruben treten in vielen Formen auf, wobei kleinere Gruben durchweg Abfälle aufnahmen. Bei jeder erkennbaren Bodenverfärbung ist also die Frage nach dem Warum zu stellen. "Scherben" als wichtige Hinweise
Es kann aber auch vorkommen, dass nur
einzelne Scherben bei der Feld- und
Gartenarbeit auffallen.
Vorgeschichtliche Scherben sind gewöhnlich bräunlich,
grau oder
schwarz und auffallend brüchig. Dies wird deutlich, wenn es
gelingt
an der Bruchstelle eines noch "erdfeuchten" Scherbens mit dem
Fingernagel
ein winziges Stückchen abzubrechen. Bricht dabei
tatsächlich ein
Stückchen ab, so handelt es sich mit
großer Wahrscheinlichkeit
um die Reste eines vor- oder-
frühgechichtlichen Gefäßes.
Sehr harte rote oder graue bis
schwarze Scherben, bei denen die oben beschriebene
"Fingernagelprobe"
keinen Erfolg bringt, können römisch oder mittelalterlich
sein.
Bei solchen Funden kann nur eine erfahrener Helfer oder eben eine
Meldung
beim Denkmalamt weiterhelfen. Sind an derartigen Scherben keine
typischen
Formen oder Verzierungen festzustellen, so ist die
Unterscheidung zwischen
noch römisch oder schon mittelalterlich nicht
immer möglich.
Um nochmals auf die Brüchigkeit vorgeschichtlicher Gefäße zutückzukommen: Sie geht oft so weit, daß das mit dem Pinsel freigelegte Gefäß erst gehoben werden kann, wenn es zuvor mit Gipsbinden gesichert wurde. Wer Fundschichten durchwühlt oder Ackerflächen absucht, um die Funde zu Hause in einer Schachtel aufzubewahren, hat die Bedeutung der archäologischen Forschungsarbeit nicht begriffen. Raubgrabungen richten schweren Schaden an
Alle Funde können nur einmal gemacht
werden, und es bedarf oft geradezu
kriminalistischer Methoden und einer
großen Grabungserfahrung, um Zusammenhänge
zu erkennen und
mögliche noch offene Fragen für die Geschichtsschreibung
dieser
Zeit zu klären. Raubgräber richten immer wieder
großen
Schaden an. Meist werden die erbeuteten Scherben und die von
Laien nicht
zu restaurierenden Metallgegenstände irgendwann in den
Müll geworfen,
manchmal erst von den Erben.
Wie kann der Laie der Archäologie helfen?
Wer helfen möchte, beobachte
Baustellen und Lößwände und melde verdächtige
Verfärbungen.
Bedauerlicherweise wird nur ein Bruchteil aller Bodenfunde gemeldet. Die Mehrzahl geht durch Unachtsamkeit und Unwissenheit verloren. Den größten Verlust verursachen Bagger und Planierraupen. Vielfach wird der Fund aber auch erkannt, wenn z. B. Mauern, Knochen, Scherben oder Ziegel auftreten. Unverständige Grundstückseigentümer, Bauleiter und Baufirmen verheimlichen oftmals die Entdeckung, weil sie materielle Verluste fürchten. Es zeigte sich jedoch in vielen Fällen, daß mit etwas gutem Willen an einer anderen Stelle im Baubereich weitergearbeitet werden konnte, bis Angehörige des Denkmalamtes den fraglichen Punkt untersucht hatten. Bearbeitete Steine aus den drei Steinzeitepochen sind weniger auffällig als Bodenverfärbungen. Werkzeuge aus dem Neolithikum, also der jüngeren Steinzeit werden häufiger gefunden als Artefakte der Altsteinzeit. Zur Herstellung ihrer Werkzeuge verwendeten die Steinzeitleute sehr harte Steine, die bei Schlag an den Kanten glasähnlich absplitterten. Vorwiegend waren dies Feuerstein, Hornstein und Jaspis. Steinwerkzeuge sind meist an mehreren, ja vielen kleinen Abschlägen ( Retuschen) an den Rändern des Werkzeuges zu erkennen. Mit diesen durch Schlag oder Druck geschärften Steinen konnte geschnitten und geschabt werden. Feuersteingeräte fühlen sich glatt an und sind so hart, daß sich damit Glas ritzen läßt. Wer bei einer Feldbegehung ein solches Stück findet, sollte sofort die Fundstelle kennzeichnen oder sich notieren. Die Erfahrung lehrt, daß bei der anschließenden Geländebegehung die genaue Fundstelle leicht vergessen werden kann . In Zweifelsfällen an das Denkmalamt wenden
Für den unerfahrenen
Helfer ist die Entscheidung, ob ein Werkzeug oder
eine natürliche
Bildung vorliegt, oft nicht zu treffen. Hier ist ein
Gang zum Denkmalamt
oder eine Rückfrage bei einem örtlich
zuständigen
Mitarbeiter unumgänglich. Vielleicht wird durch
diese kleine Mühe
ein bisher nicht bekannter steinzeitlicher
Wohnplatz entdeckt. Der Finder darf damit rechnen, daß sein Name in
einem der nächsten amtlichen
Fundberichte erscheint.
Selbst ein fast unbedeutender Fund kann, wenn er gemeldet ist, die Fundkarte ergänzen und vielleicht irgendwann später doch noch zu einem wichtigen Hinweis werden. Unsere Ur- und Frühgeschichte ist nur durch die Auswertung der Bodenfunde zu schreiben. Jedes Steinbeil und jeder vorgeschichtliche Scherben ist deshalb von geschichtlichem Wert und hat somit Aussagekraft. Hinter den Bodenfunden steht der Mensch als Träger und Gestalter der Geschichte. Die Reste seiner Kulturhinterlassenschaft künden von seinen Taten.
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