Karl-Heinz Hentschel
zurück zur Hauptseite

Ratschläge zum Umgang mit ur-  und frühgeschichtlichen Bodenfunden


Schon Jahrtausende leben Menschen in unsere Heimat. Völker kamen und gingen, Siedlungen entstanden und verschwanden. Alle diese Vorgänge, über die kein Geschichtsbuch berichtet, haben ihre Spuren im Boden hinterlassen.

Im einzelne handelt es sich um:

  • Auffällig bearbeitete Steine (Feuersteine, durchbohrte Steingeräte), altertümliche Gefäße und Gefäßscherben, grünspanige Geräte, rostige Eisenstücke (Waffen u. dgl.), Münzen, Skelette von Menschen und Tieren. Diese Reste deuten auf Siedlungen und Gräber hin.

  • Siedlungen: Die vorgeschichtlichen Häuser waren aus Holz erbaut und sind deshalb völlig vergangen, aber man findet in hellem Boden schwarzgefärbte Stellen mit Holzkohlen, gebrannten Lehmbrocken, Tonscherben und Knochen. Das sind die Reste vorgeschichtlicher Häuser. Römische Siedlungen zeigen sich durch Mauerreste im Boden, dicke Ziegel und glänzend rote, porzellanartige Scherben an.

  • Gräber: Wo sich abseits der heutigen Friedhöfe menschliche Skelettreste im Boden finden, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um vorgeschichtliche Gräber. Sicher ist dies, wenn sich bei den Skeletten Beigaben (Waffen, Tongefäße, Schmuckstücke) finden. Es kommen aber auch Brandgräber vor. Diese erkennt man an weißen, meist kleinen Bruchstücken verbrannter menschlicher Knochen in oder bei (meist zerbrochenen) Tongefäßen. In Wäldern oder nahe dem Waldrand auf Wiesen und Äckern liegende kreisrunde Hügel sind oft Grabhügel aus vorgeschichtlicher Zeit.

  • Wie und wo werden Funde gemacht?

    Meist kommen Bodenfunde bei Erdarbeiten zutage, also beim Pflügen auf dem Acker, beim Anlegen von Rübenlöchern, bei Ausschachtungen für Hausbauten, bei Kanalisationen, in Sand-, Kies- und Lehmgruben, in Steinbrüchen, kurz überall, wo der Boden aufgeschlossen wird. Grundsätzlich kann allerorten mit Funden gerechnet werden, selbst an Stellen, die heute als Wald, Sumpf oder Ödland nur beschränkte Nutzungsmöglichkeiten bieten

    Die Archäologie ist auf sachverständige Hilfe angewiesen

    Die Bodendenkmalpflege braucht freiwillige Helfer, die durch ihre Tätigkeit zur Geschichtsschreibung beitragen. Nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen kann diese Hilfe zunächst nur im Bereich der Beobachtung liegen. Einen großen Teil aller Funde verdanken wir gerade der Aufmerksamkeit und dem richtigen Verhalten von freiwilligen Mitarbeitern oder von Personen, die ihnen bekanntgewordene Funde meldeten.

    Worauf ist zu achten, was ist zu tun?

    Zunächst: Jeder Eingriff in den Boden hinterläßt Spuren, die oft noch nach Jahrtausenden sichtbar sein können. Eine wieder aufgefüllte Grube hat nie mehr den selben Wasser- und Mikrobenhaushalt wie der sie umgebende, gewachsene Boden. Die Füllung wird in der Regel mit der Zeit dunkler  und meist auch wesentlich härter. Dadurch zeichnet sie sich in ihren ursprünglichen Umrissen mehr oder weniger  deutlich ab. Vorgeschichtliche Häuser waren oft als sogenannte Grubenhäuser angelegt. Ein Teil der Hausfläche lag vertieft im Boden. Zur Fertigung der Aussenwände und zur Errichtung der Dachkonstruktion mussten Pfosten eingerammt werden. Alle derartigen Vorgänge veränderten an der Stelle des Eingiffs den gewachsenen Boden. In Sandböden sind die so entstandenen Bodenverfärbungen manchmal nicht sehr deutlich. In Lössböden aber sind die scharf abgegrenzten Farbveränderungen klar zu erkennen.

    Werden bei Erdarbeiten alte Gruben oder Pfostenlöcher geschnitten, so sind die ursprünglich von ihnen eingenommenen Räume meist sichtbar. Horrizontal geschnittene Pfostenlöcher zeigen sich als runde, schwarze Flächen. Bei vertikalen Schnitten ist manchmal noch die einstige Zuspitzung der Pfosten erkennbar. Gruben treten in vielen Formen auf, wobei kleinere Gruben durchweg Abfälle aufnahmen. Bei jeder erkennbaren Bodenverfärbung ist also die Frage nach dem Warum zu stellen.

    "Scherben" als wichtige Hinweise

    Es kann aber auch vorkommen, dass nur einzelne Scherben bei der Feld- und Gartenarbeit auffallen. Vorgeschichtliche Scherben sind gewöhnlich bräunlich, grau oder schwarz und auffallend brüchig. Dies wird deutlich, wenn es gelingt an der Bruchstelle eines noch "erdfeuchten" Scherbens mit dem Fingernagel ein winziges Stückchen abzubrechen. Bricht dabei tatsächlich ein Stückchen ab, so handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die Reste eines vor- oder- frühgechichtlichen Gefäßes. Sehr harte rote oder graue bis schwarze Scherben, bei denen die oben beschriebene "Fingernagelprobe" keinen Erfolg bringt, können römisch oder mittelalterlich sein. Bei solchen Funden kann nur eine erfahrener Helfer oder eben eine Meldung beim Denkmalamt weiterhelfen. Sind an derartigen Scherben keine typischen Formen oder Verzierungen festzustellen, so ist die Unterscheidung zwischen noch römisch oder schon mittelalterlich nicht immer möglich.

    Um nochmals auf die Brüchigkeit vorgeschichtlicher Gefäße zutückzukommen: Sie geht oft so weit, daß das mit dem Pinsel freigelegte Gefäß erst gehoben werden kann, wenn es zuvor mit  Gipsbinden gesichert wurde.

    Wer Fundschichten durchwühlt oder Ackerflächen absucht, um die Funde zu Hause in einer Schachtel aufzubewahren, hat die Bedeutung der archäologischen Forschungsarbeit nicht begriffen.

    Raubgrabungen richten schweren Schaden an

    Alle Funde können nur einmal gemacht werden, und es bedarf oft geradezu kriminalistischer Methoden und einer großen Grabungserfahrung, um Zusammenhänge zu erkennen und mögliche noch offene Fragen für die Geschichtsschreibung dieser Zeit zu klären. Raubgräber richten immer wieder großen Schaden an. Meist werden die erbeuteten Scherben und die von Laien nicht zu restaurierenden Metallgegenstände irgendwann in den Müll geworfen, manchmal erst von den Erben.

    Wie kann der Laie der Archäologie helfen?

    Wer helfen möchte, beobachte Baustellen und Lößwände und melde verdächtige Verfärbungen.

    Bedauerlicherweise wird nur ein Bruchteil aller Bodenfunde gemeldet. Die Mehrzahl geht durch Unachtsamkeit und Unwissenheit verloren. Den größten Verlust verursachen Bagger und Planierraupen. Vielfach wird der Fund aber auch erkannt, wenn z. B. Mauern, Knochen, Scherben oder Ziegel auftreten. Unverständige Grundstückseigentümer, Bauleiter und Baufirmen verheimlichen oftmals die Entdeckung, weil sie materielle Verluste fürchten. Es zeigte sich jedoch in vielen Fällen, daß mit etwas gutem Willen an einer anderen Stelle im Baubereich weitergearbeitet werden konnte, bis Angehörige des Denkmalamtes den fraglichen Punkt untersucht hatten.

    Bearbeitete Steine aus den drei Steinzeitepochen sind weniger auffällig als  Bodenverfärbungen. Werkzeuge aus dem Neolithikum, also der jüngeren Steinzeit werden häufiger gefunden als Artefakte der Altsteinzeit. Zur Herstellung ihrer Werkzeuge verwendeten die Steinzeitleute sehr harte Steine, die bei Schlag an den Kanten glasähnlich absplitterten. Vorwiegend waren dies Feuerstein, Hornstein und Jaspis. Steinwerkzeuge sind meist an mehreren, ja vielen kleinen Abschlägen ( Retuschen) an den Rändern des Werkzeuges zu erkennen. Mit diesen durch Schlag oder Druck geschärften Steinen konnte geschnitten und geschabt werden. Feuersteingeräte fühlen sich glatt an und sind so hart, daß sich damit Glas ritzen läßt. Wer bei einer Feldbegehung ein solches Stück findet, sollte sofort die Fundstelle kennzeichnen oder sich notieren. Die Erfahrung lehrt, daß bei der anschließenden Geländebegehung die genaue Fundstelle leicht vergessen werden kann .


    In Zweifelsfällen an das Denkmalamt wenden

    Für den unerfahrenen Helfer ist die Entscheidung, ob ein Werkzeug oder eine natürliche Bildung vorliegt, oft nicht zu treffen. Hier ist ein Gang zum Denkmalamt oder eine Rückfrage bei einem örtlich zuständigen Mitarbeiter unumgänglich. Vielleicht wird durch diese kleine Mühe ein bisher nicht bekannter steinzeitlicher Wohnplatz entdeckt. Der Finder darf damit rechnen, daß sein Name in einem der nächsten amtlichen Fundberichte erscheint.

    Selbst ein fast unbedeutender Fund kann, wenn er gemeldet ist, die Fundkarte ergänzen und vielleicht irgendwann später doch noch zu einem wichtigen Hinweis werden.

    Unsere Ur- und Frühgeschichte ist nur durch die Auswertung der Bodenfunde zu schreiben. Jedes Steinbeil und jeder vorgeschichtliche Scherben ist deshalb von geschichtlichem Wert  und hat somit Aussagekraft.

    Hinter den Bodenfunden steht der Mensch als Träger und Gestalter der Geschichte. Die Reste seiner Kulturhinterlassenschaft künden von seinen Taten.

    zurück zur Hauptseite
    Kontakt zum Autor